Unsere Nachbarn – die Wölfe

„Kann ich noch alleine in den Wald gehen?“ Das ist sicher eine der wichtigsten Fragen in Bezug auf unsere neuen Nachbarn – die Wölfe. Wildnispädagoge Paul Wernicke hat auch hierauf Antworten. Aber zunächst möchte er dem Publikum den Wolf näher bringen. „Unsere Nachbarn, die Wölfe“ hieß die Veranstaltung, zu der Bill Nickl am Dienstag den 19.3. ins San Diego Café ins ZEGG eingeladen hatte und bei der sich ca. 50 Menschen trafen, um dem Phänomen Wolf auf die Spur zu kommen. Mythenumrankt erhitzt er ja derzeit die Gemüter und meist entstehen schnell zwei Lager.
Paul Wernicke gehört zu keinem von beiden. Jenseits von Wolfsromantik oder Panikmache ist sein Ansatz die Frage, wie wir angstfrei und Gewinn bringend in einer Kulturlandschaft mit Nutztieren mit den Wölfen zusammen leben können. Denn Fakt ist: Sie sind da. Pauls Methode der Untersuchung: neugierig offene Beobachtung.
Und so erzählt er, wie er auf erste Wolfsspuren gestoßen ist, als 2009 Wölfe am Truppenübungsplatz Altengrabow auftauchten. Wie er und seine Freunde sich Unterstützung aus der Lausitz holten, wo die Wölfe schon um das Jahr 2000 einwanderten. Wie sie Kameras installieren und Spuren rückverfolgen, um die Wurfhöhlen zu finden. Und dass ein Rudel v.a. eine Familie ist, ein Elternpaar mit Welpen oder Jährlingen.
In Altengrabow war das erste Rudel, jetzt leben die Wölfe bereits mit uns. Das sogenannte Bad Belzig Rudel hatte seine Wurfhöhle mit fünf Welpen nur 600 m von Grützdorf entfernt – und ist damit ganz nah am Platz des Naturforschers. „Es gab Tage, an denen ich ihre Spuren verfolgt habe – und kurz darauf kamen sie über den Platz. Sicher haben sie meinen Geruch erkannt. Da habe ich mich schon gefragt, wer verfolgt eigentlich wen? Meine Aufgabe ist es, diesen Tieren eine Stimme zu geben. Deswegen sitze ich jetzt hier.“
Todesursachen für Wölfe sind v.a. Verkehrsunfälle. Aber auch Krankheiten oder illegale Abschüsse. Dabei könnten wir gut ko-existieren, nur 2 % der Wolfsnahrung besteht derzeit aus Nutztieren. Nur muss der Mensch sich umstellen, den Wolf mit einbeziehen. Sichere Zäune seien unumgänglich. Hunde sollen in Wolfsgebieten angeleint werden. Ein Zuhörer fragt nach dem Mythos des Blutrauschs, dem Wölfe unterliegen sollen. Hierzu erklärt Wernicke: „Ja, es ist schon vorgekommen, dass Wölfe in einer Schafsherde mehr Tiere umbringen als sie fressen. Als Beutegreifer greifen sie an, was sich bewegt. Wildtierherden fliehen dann, Nutztiere können dies nicht und wenn sie sich aber panisch bewegen, verebbt der Jagdinstinkt der Wölfe nicht.“ Aus diesem Wissen können wir auch Verhaltensregeln für die Menschen ab. Normalerweise meiden Wölfe Menschen. Sollte es aber doch mal vorkommen, dass wir zufällig auf welche treffen, sollte man also nicht schreiend davon laufen. Den Wölfen grinsend in die Augen gucken ist auch nicht angesagt, das könnte als „Angriff mit Zähne fletschen“ missverstanden werden. Was also tun? Einfach ruhig stehen bleiben. Sprechen oder singen dabei, das unterscheidet uns von ihrer normalen Beute und Wölfe nehmen dann reißaus. Jogger sind auch nicht gefährdet, ihnen weichen Wölfe ebenfalls aus. Bei einem waren sich die Anwesenden einig: Gefährlicher als der Wolf sind derzeit im Wald Wildschweine, v.a. wenn eine Bache ihre Frischlinge in Gefahr wähnt. Denn Fakt ist: bisher hat noch kein Wolf tatsächlich einen Menschen angegriffen. Wolfsfreunde sind froh, wenn sie die Grauen von weitem sehen oder mal eine Spur erkennen. Also nichts wie raus an die Frühlingsluft.