Was uns bewegt, bzw. bewegen sollte…
Ein Blick zurück, auf ein Jahr 2019, dass uns zahllose Nachrichten geliefert hat, die uns einerseits gefreut- und andererseits maßlos empört haben. Beim Blick über den berühmten Kochtopfrand sei an einige wenige kurz erinnert:
Der Bürgerkrieg in der Demokratischen Republik Kongo ist auch 2019 unvermittelt brutal weitergeführt worden. Jedes Handy, jeder Computer, jede Digitalkamera braucht Coltan. Um die großen Coltanvorkommen streiten sich Milizen und Armeen. Auch die Umwelt leidet unter dem Coltan-Abbau. Regenwald wird abgeholzt und der Lebensraum der stark gefährdeten Berggorillas zerstört.
Julian Assange ist der Mitbegründer von WikiLeaks. WikiLeaks hat unter anderem Kriegsverbrechen der US Armee im Afghanistan– und Irakkrieg veröffentlicht. Dafür sitzt Julian Assange in einem britischen Gefängnis in Isolationshaft. Ihm droht die Auslieferung in die USA, was eine lebenslange Gefängnisstrafe zur Folge hätte. Es geht nicht vordergründig um die Person Julian Assange, sondern um Fragen einer freien Presse und investigativen Journalismus!
Der Putsch in Bolivien ist ein Anschlag auf Demokratie, soziale Gerechtigkeit und Unabhängigkeit in Lateinamerika. Die linke Regierung von Evo Morales wurde zum Rücktritt gezwungen. Morales ist mit seiner Familie nach Mexico geflohen. In Bolivien lagern die weltgrößten Vorräte an Lithium, dem wichtigsten Bestandteil aufladbarer Hochleistungsbatterien zum Betrieb von E-Autos. Die Ausbeutung dieses Rohstoffs geht höchstwahrscheinlich leichter von der Hand, wenn in La Paz eine neoliberale Rechtsregierung installiert wird.
In Grützdorf scheint die Sonne, also genug mit den unerfreulichen Nachrichten.
Schauen wir nach Argentinien. Die Parlamentswahlen haben dort im Herbst 2019 eine linksgeführte Regierung unter Alberto Fernández in die Verantwortung gebracht. Hoffnung für ein Land, dass in einer Armutskrise steckt.
Heute ist zum Sonnenschein auch noch ein Freitag. In vielen Städten der Bundesrepublik und in anderen Ländern werden sich wieder junge Menschen auf den Straßen treffen, um auf die Klimakatastrophe aufmerksam zu machen. Eine Bewegung hat sich etabliert, die Menschen zum Nachdenken gebracht hat, die sich noch vor einem Jahr keinerlei Gedanken über das Klima gemacht hatten. Mit welchen, noch so kleinen, persönliche Konsequenzen kann ich darauf reagieren?
Eine Nachricht aus China hat uns gefreut und positiv überrascht. Durch ein wirksames Aufforstungsprogramm konnte die Ausbreitung der Wüste Gobi in den Nordprovinzen nachhaltig gestoppt werden. Gleichzeitig begleitet jeden Autobahnbau die Pflanzung von großen Baumreihen an den Straßenrändern.
(Wer vertiefende Informationen zu den angeführten Beispielen haben möchte, kann uns schreiben…)
Der Blick hinaus auf die Geschehnisse der Welt gibt unserer Arbeit in der Wildnisschule immer wieder die nötige Motivation und macht uns gleichzeitig die Dringlichkeit deutlich, dass es nicht nur ein Umdenken, sondern vor allem auch ein Tun braucht, um Alternativen zu entwickeln.
Das Jahr der Wildnisschule Hoher Fläming begann mit einer großen Baustelle. Der Zinken hat mit dem Spitzhaus einen neuen Ort zum Versammeln, Geschichten lauschen und der Begegnung bekommen. Es war eindrucksvoll mitzuerleben, wie schnell und mit wie viel Unterstützung wir Erdmassen und Steine bewegt, Hölzer aus umliegenden Wäldern zusammengezimmert hatten, um einen Raum zu schaffen, in dem z.B. beim Herbstfest hundert Menschen um ein knisterndes Feuer Platz fanden.
Wir haben in diesem Jahr angefangen, den Ort auf dem wir arbeiten und leben dürfen, als Insel zu beschreiben. Eine Insel auf der Begegnung zwischen Natur und Mensch stattfinden kann, ein Ort an dem wir forschen, wie wir diese Verbindung neu leben können. Tom Porter, einer der spirituellen Führer der Haudonossaunee (Volk der Irokesen), war in diesem Jahr unser Gast. Er kommt aus einer Kultur, in der die Verbindung zur Natur nie ganz abgerissen ist. Eine seiner Botschaften, die uns durch seine Geschichten und Erzählungen nachhaltig beschäftigt hat und auch in Zukunft beschäftigen wird, ist: „Erschafft Zeremonien, die zum Platz passen. Zeremonien, die das wertschätzen was da ist, sagt Danke!“
Durch Zeremonien oder Rituale können wir einerseits unseren Verbindungen mit den Menschen, die uns wichtig sind und der Natur, in der wir leben Ausdruck verleihen und gleichzeitig zu einem tieferen Verständnis unserer Umwelt und uns selbst gelangen. Es entsteht ein Raum der Achtsamkeit und erhöhten Wahrnehmung. Durch diese Erfahrung können wir uns entweder an das Erinnern, was uns wirklich wichtig im Leben ist oder neue Erkenntnisse mit in unseren Alltag und unsere Familien nehmen.
Wie einfach und berührend das sein kann, hat unsere kleine Wasserzeremonie auf dem Herbstfest gezeigt. Angeleitet von Kathrin Raunitschka, Leiterin der Lebensschule Potsdam, haben siebzig Menschen, barfüßig und schweigend, Wasser von unserer Wasserstelle in kleinen Holzschalen in die Landschaft getragen. Ein kleiner symbolischer Akt Danke zu sagen, ohne dabei um etwas zu bitten, ohne etwas zu wollen. Es war ein bewegender und eindrücklicher Moment, diese unterschiedlichen Menschen so achtsam und ernsthaft zu sehen, vor allem die Kinder. Die Wichtigkeit und Bedeutung von Wasser ist spürbar und sichtbar geworden. Danke, dass unser Brunnen in Grützdorf trotz des zweiten sehr trockenen Sommers immer noch genügend Wasser führt.
Der Platz, an dem wir nun schon seit sechs Jahren leben und arbeiten dürfen, ist zu einem Ort geworden, an dem wir uns wieder mit Natur verbinden können. Der uns Möglichkeiten bietet Gleichgesinnte zu treffen, sich auszutauschen, positive Naturerfahrungen zu vermitteln, um mit diesen Erfahrungen die Wildnis vor der eigenen Haustür wieder zu entdecken und Menschen damit im eigenen Umfeld anzustecken und zu begeistern.
Ich bin dankbar für alle Menschen, die in diesem Jahr dazu beigetragen haben, dass die Vision unserer wildnispädagogischen Arbeit immer sichtbarer wird.
Bei unserer Wildniswoche für Jugendliche „Scouts on Tour“ wird das immer wieder aufs Neue direkt und unmittelbar erlebbar. Besonders für mich war, dass uns in diesem Jahr mein Vater begleitet hat. Er hat mich und meine Brüder in unserer Kindheit oft mit auf Touren genommen und somit bei mir einen Grundstein für meinen heutigen Weg gesetzt.
Er hat seine Erfahrungen und Gedanken in einem kleinen Text zusammengefasst: https://wildnisschule-hoherflaeming.de/die-wildnis-vor-unserer-haustuer-jugend-scouts-on-tour/,
(Naturwahrnehmung und )Ich würde den Fokus auf das Spurenlesen legen, Spurenlesen ist ja ein Teil von Naturwahrnehmung!??) Spurenlesen ist für mich ein direkter und einfacher Weg mit Natur in Verbindung zu gehen. Durch diese Verbindung kann ich ganz unmittelbar und direkt spüren, dass ich ein gleichwertiger Teil der gesamten Schöpfung bin. Ich bin weder getrennt von ihr noch mehr wert als andere Teile. Ich bin umgeben von Natur, die zwar menschengeprägt ist, aber immer wieder für Überraschungen sorgt und mich in Staunen versetzt.
Es gab eine bestätigte Luchssichtung keine fünfhundert Meter vom Zinken entfernt. Bei einem Ausflug in unser Spurenparadies, einer aktiven Tongrube bei Wiesenburg, durfte(konnte?durfte – ist so übererhaben ich mit anderen Spurenlesern zum ersten Mal in meinem Leben die imposanten Trittsiegel eines Uhus bewundern. Viele Menschen waren sprachlos als beim Herbstfest ein waagerecht fliegender Meteor mit grünem Feuerschweif am Himmel verglühte. ( VIELLEICHT NOCH DIES: Wie groß war die Überraschung als bei den Erdarbeiten genau im Zentrum des neuen Spitzhauses ein wunderschöner riesiger Findling zum Vorschein kam. In einer gemeinsamen Aktion von dreißig Menschen wurde er aus der Grube gezogen und ziert seit dem den Eingang ins Spitzhaus.)
Gemeinsam mit meinen Kindern Spurenlesen zu gehen und dabei ihre Begeisterung und ihren Spaß zu sehen, ist immer wieder etwas Besonderes für mich.
Bei einem unserer Waldausflüge blieben die vier Großen (7,10,12 und 15 Jahre alt) Kekse essend an einer Kreuzung zurück, während mein derzeitiger(???) Praktikant Lukas und ich noch eine letzte Spur checken wollten. Als wir eine halbe Stunde später zurückkehrten, sahen wir die vier in konzentrierter Beobachtung (in eine Richtung schauend). Wir nährten uns langsam und leise und konnten nun auch sehen, was sie beobachteten. Es waren drei kleine Wolfswelpen, die unbeholfen am Wegesrand spielten. Als dann die Fähe, also das Muttertier angetrabt kam, uns entdeckte und sich schnell wieder zurückzog, entfernten wir uns leise, um nicht weiter zu stören. Die Begeisterung und auch die Ehrfurcht, einem so scheuen Waldtier so nahe zu sein, war groß.
Am Ende meiner Saison im November haben wir in der Streuobstwiese mit dem Verein „Äpfel und Konsorten“ achtundzwanzig neue Obstbäume gepflanzt. Frei nach dem Motto von Martin Luther: „Wenn ich wüsste, dass morgen die Welt unterginge würde ich heute noch mein Apfelbäumchen pflanzen“. Wer Lust auf eine Baumpatenschaft hat, kann sich gerne bei mir melden! Wir freuen uns auf die erste Apfelbaumblüte im Frühjahr.
Besonderen Dank gilt den Menschen, mit denen ich in diesem Jahr eng zusammenarbeiten durfte, den verschiedenen Wildnismentoren, unserer „Direktorin des ersten Eindrucks“ im Büro, den großartigen Praktikanten, meinen beiden Ältesten und allen anderen, die mich in meiner Arbeit auf unterschiedlichste Art und Weise inspiriert und unterstützt haben.
Einen letzten Dank an die große Unterstützung meiner Familie, besonders an meine Frau und meinen Vater, die mir immer mit Rat und Tat und viel Geduld zur Seite standen und stehen.
Dankeschön.