Philosophie

„Im Dialog entsteht ein Raum – Dazwischen – wo Gemeinsamkeiten und Unterschiede harmonisch tanzen.“

K. Matoba

Was verstehen wir unter „Wildnispädagogik“?

Das Ziel der Wildnispädagogik ist eine tiefe Verbindung zur Landschaft und seinen Bewohnern, zu Menschen und zu sich selbst herzustellen.

Im Laufe ihres evolutionären Werdegangs, lebten die Menschen als Jagende und Sammelnde unmittelbar mit der Natur. Sie versorgten sich mit dem, was diese ihnen bot und lebten gemeinschaftlich. Diese Lebensweise erforderte sowohl die Kenntnis der eigenen Umwelt als auch das Erlernen von Techniken und handwerklichen Fertigkeiten. Dazu zählten beispielsweise das Spurenlesen, die Kenntnis der Vogelsprache, das Wissen um essbare und heilende Pflanzen sowie um ökologische Zusammenhänge. Dies schuf einen direkten und sinnvollen Bezug zur Umgebung.

Diesem Prinzip folgend, entwickelte sich die Wildnispädagogik. Sie verwendet Methoden des Lernens und Lehrens, die sich an den Kreisläufen der Jahreszeiten, Wettereinflüssen, Pflanzen und Tieren orientieren.

Die Wildnispädagog*innen sehen sich dabei als lernbegleitende Mentor*innen, die mit Fragen und Geschichten ihre Teilnehmer*innen unterstützen. Neugier und Wissensdurst werden durch Geschichten, Rätsel oder inspirierende Fragen geschürt. Lernen erfolgt durch eigenen Erfahrung, sodass das Wissen langfristig verinnerlicht wird.

8 Schilde

Wildnispädagogik bedeutet, Abläufe und Strukturen nach natürlichen Mustern und Rhythmen zu gestalten. Sie stehen im Einklang mit den unterschiedlichen Jahreszeiten, Tageszeiten, mit den Gegebenheiten vor Ort und der eigenen Dynamik des jeweiligen Projektes.

Hierfür nutzen wir vor allem das von Jon Young entwickelte Konzept der 8 Schilde. Es ist ein beständig wachsendes Modell des Lebens, dass sowohl der Orientierung dient als auch dynamischen und kreativen Umgang mit den einzelnen Bestandteilen ermöglicht.

Methodik

Die Kunst des Fragenstellens

Die Fähigkeit der Lehrenden inspirierende Fragen zu stellen, fördert den Lernprozess.
Anstelle frontaler Wissensvermittlung ermöglichen offene Fragen, dass die Lernenden selbst aktiv werden, forschen, experimentieren und auf die Suche nach eigenen Antworten gehen.

Durch die selbstständige Lösungsfindung mit allen Sinnen, prägen sich die Sachverhalte und Erfahrungen fest ein und erzeugen eine emotionale Bindung zu den erforschten natürlichen Phänomen.

Die Kunst des Geschichtenerzählens

Eine lebendig erzählte Geschichte hält die Aufmerksamkeit und Konzentration der Menschen leichter als eine logisch-sachliche Darlegung von Fakten.

Die Geschichte kann auf wahren Tatsachen beruhen, fiktiv sein oder beide Elemente kombinieren. Wie die Konstruktion des Gedächtnisses, funktionieren Geschichten mit Assoziationen. Mit Dramaturgie und narrativen Elementen, generieren Erzählungen Erinnerungen und fördern ein nachhaltiges Lernen. 
Welche Aufgaben erfüllen Geschichten?

Sie geben Lebenserfahrung und Wissen weiter, zeigen Problemlösungen auf, stoßen Denkprozesse an, hinterfragen Rollen- und Verhaltensweisen, sorgen für Unterhaltung, vermitteln Normen und Werte, motivieren zum Handeln, stiften Hoffnung und geben Sinn.

Naturbeobachtung und Wahrnehmung

Naturbeobachtung fördert unsere Präsenz im Hier und Jetzt und lässt uns das volle Potenzial unserer Sinne kennenlernen. Dadurch, dass die eigene Wahrnehmung sich erweitert, wird unser Umgang mit der Umgebung und unseren Mitmenschen aufmerksamer und achtsamer. Durch Naturbeobachtung lernen wir den Fokus bewusst zu setzen und sind klar, konzentriert und offen für unsere Mitwelt.

Themen

Spurenlesen

Die Beschäftigung mit Tierspuren führt zu einem umfassenden Verständnis und einer tiefen Verbundenheit mit dem eigenen Lebensort und seinen Bewohnern.

Da diese sich so selten sehen lassen, ist den meisten Menschen nicht bewusst, wie viele verschiedene Wildtiere tagtäglich in ihrem direkten Lebensumfeld unterwegs sind. Spuren eröffnen uns so die Tür zu einer Welt, die uns sonst verborgen bliebe. 

Vogelsprache

Sprache sei der Schlüssel zur Welt, laut Humboldt. So lernen wir durch die Sprache der Vögel unsere Umwelt neu zu entdecken. Vögel sind in allen Lebensräumen anzutreffen, im Wald, in der Stadt und in Feld und Flur. Sie sind großartige Lehrer.

Pflanzen

Pflanzen sind Nahrung und Heilmittel für uns Menschen, sie gestalten unsere Umwelt und beeinflussen unsere Innenwelt. Wildkräuter sind oft unbekannt, dabei haben sie viele Eigenschaften, die ihre Verwendung als Heil- oder Nahrungsmittel ermöglichen. Das Wissen um die Apotheke und den Supermarkt der Natur, die direkt vor unserer Haustür liegen, ermöglicht es uns ihre Gaben wieder zu entdecken und sie zu verwenden: als Zutat für ein gutes Essen, für Tee oder zur Herstellung von wohltuenden Salben.

Techniken und handwerkliche Fertigkeiten

Um sich wieder in der Natur zu Hause fühlen, braucht es praktische Fertigkeiten und grundlegendes Wissen. Ob es sich dabei um Feuermachen ohne Streichhölzer, die Herstellung ursprünglicher Gebrauchsgegenstände und Werkzeuge oder den Bau einer Übernachtungsmöglichkeit ohne zivile Hilfsmittel handelt. Es gilt die eigenen Fähigkeiten zu schulen, die es ermöglichen gemeinsam in der Natur auf einfache Art zu leben.

Gemeinschaft

Das Eintauchen in die Natur fördert die persönliche Entwicklung. Sie lehrt uns nicht nur als Individuen, sondern auch als soziale Wesen.

Zeit allein in der Natur erlaubt ein genaues Hinschauen auf innere Prozesse und das Kennenlernen der Umgebung im eigenen Rhythmus.

Doch erst der Austausch in der Gemeinschaft und das genaue Zuhören, hilft uns die komplexen Zusammenhänge in der Natur zu durchdringen sowie uns selbst im Kontext mit anderen kennenzulernen. Auch Konflikte sind hierbei hilfreiche Lernmöglichkeiten, an denen wir wachsen können.

Das Ergebnis des Ganzen kann mehr sein als nur die Summe seiner Bestandteile.