Hier in einigen Auszügen eine Geschichte von Christoph (die ganze Geschichte findet ihr unter den  Erfahrungsberichten).

So schön kann ein Morgen sein, wenn man sich in der Frühe hinauswagt! Viel Spaß.

(…) Nun war ich gefühlte 45 Minuten unterwegs und bin etwa 200 Meter weit gekommen. Zwischen den Bäumen am Horizont schob sich nun eine dunkelorange Scheibe durchs Geäst. Die ersten schüchternen Sonnenstrahlen brachten die dunstige Luft zum Leuchten. Plötzlich hörte ich ein raues Bellen, nicht weit entfernt. Ich kannte diesen Laut von aufgescheuchten Rehen. Das Geräusch kam von der Wiese links von mir, die ich aber nicht einsehen konnte wegen der Gebüsche am Waldrand. War etwa ich der Auslöser für das Bellen? Ich war schon enttäuscht, dass ich das Reh verscheucht hatte, ohne es gesehen zu haben, da tauchte es plötzlich zwischen den Sträuchern im Gegenlicht der aufgehenden Sonne auf und kam auch noch genau in meine Richtung gelaufen.

(…)

Kurz überlegte ich, ob ich leicht hin und her wanken sollte, um wie ein im Wind sich wiegender Baum zu wirken, doch irgendwas hielt mich davon ab. Später verstand ich, warum das keinen Sinn gemacht hätte: es wehte kein Wind. Ich bin sicher, dass Rehe wissen, dass Bäume – selbst außergewöhnliche – sich bei Windstille nicht bewegen. Ich versuchte, die Ricke mit meinem Blick nicht zu fixieren und sie eher aus dem Augenwinkel heraus zu beobachten. Ich kann mir zwar nicht vorstellen, dass Rehe so gute Augen haben, dass sie sehen können, ob man sie direkt anschaut. Trotzdem hatte ich das Gefühl, für sie noch am ehesten als ungefährliche, wenn auch absonderliche Nebensächlichkeit durchzugehen, wenn ich an ihr vorbei schaue, statt sie anzustarren. Ich rechnete immer noch damit, dass die Ricke irgendwann erkennt, oder zumindest riecht, wen sie da vor sich hat, um dann die Flucht zu ergreifen. Doch zu meiner Überraschung lief sie in einem Halbkreis um mich herum und starrte mich immer wieder an. Für diese Ricke war meine Erscheinung wohl  ein   riesiges   Rätsel.

(…)

Ich saß dort einige Zeit, habe schwatzenden Eichelhähern gelauscht und Schwarzmilane wiehern hören. Vor allem  Buchfinken,   Zaunkönige,  Zilpzalpe   und  Meisen  bildeten   die  akustische  Untermalung  für  diesen nebligen Sonnenaufgang. Die Eiche stand einzeln, erst in ein paar Metern Entfernung befanden sich andere Bäume. Links von mir wuchsen Erlen direkt am Wasser, rechts riesige Pappeln, deren dicke Stämme in diesem Licht irgendwie unwirklich und respekteinflößend aussahen. Ich musste an Dinosaurierbeine denken. Und dann entdeckte ich tatsächlich die Ricke wieder. Geschmeidig schlich sie in vielleicht 150 Meter Entfernung durch das Unterholz. Hin und wieder legte sie ein paar Meter springend zurück, bis sie sich abermals meinen Blicken entzog. Nichts war von ihr zu hören. Wie schaffte sie es, noch nicht mal dann Geräusche zu machen, wenn sie sich springend durch den Wald bewegt?

 

 

 

🙂