Ich blicke auf ein verstörendes und gleichzeitig hoffnungsgebendes Jahr zurück: In meinem letzten Jahresrückblick schrieb ich über meine blinden Flecken in Bezug auf die, unseren Platz umgebende, Landschaft.

Es zog mich immer wieder in diese Gebiete. Ich fühlte mich als Pionier und Entdecker, konnte neuen Fragen nachgehen und mich noch mehr in den Hohen Fläming verlieben.

Auf meine offenen Wolfsfragen bekam ich vor allem eine Antwort: „Hier waren sie heute wohl nicht!“ Aber auch: „Ah, eine Wolfsfährte auf offenem Ackerboden,“ die sich dann meist im trockenen Waldboden verlor.

Umso größer waren dann am Ende des Jahres die Erfolgserlebnisse: Die Entdeckung eines regelmäßig benutzen Ruheplatzes mitten im Wald, mit Grabversuchen für eine Höhle. Ich konnte Genproben der Wölfe direkt an unserem Platz finden. Meine Wildkameras lieferten herrliche Aufnahmen von fünf Tieren direkt hinter unserm Haus.

Ganz besonders war eine bewegende Wolfsbegegnung im verschneiten Wald und das am helllichten Tag. Mein Gefühl für ein Wolfsterritorium hat sich verfeinert und damit auch die Wahrnehmung für die Präsenz der Grauen in unserer Kulturlandschaft.

Nachdem wir im letzten Jahr ein Schwarzkehlchen-Männchen beim Singen auf dem Scheunenfirst beobachten durften, klappte es 2022 endlich mit der ersten Brut. Direkt neben dem stark frequentierten Weg zum Zinken, sind in der Totholzhecke fünf Schwarzkehlchen-Junge groß geworden.

Totholzhecken, auch bekannt als Benjeshecken, sind eine einfach Art, Landschaft sinnvoll zu gestalten und vielen Tieren (vor allem Vögeln) Unterschlupf und Nahrung zu bieten. Wer ein Grundstück hat, sollte gleich morgen damit anfangen.

Während die Schwarzkehlchen brüteten, sah ich ganz in der Nähe ein Braunkehlchen-Paar. Meine Recherche begann, wie diese Kehlchen unseren Platz noch attraktiver gestalten können. Das Braunkehlchen ist Vogel des Jahres 2023 und vor dem Aussterben bedroht!

Nachhaltig bewegt hat mich das Buch von Robin Wall Kimmerer „Geflochtenes Süßgrass“. Kathrin Blum, Autorin und Wildnismentorin (www.waldweg.net) hat es liebevoll lektoriert.

Das Thema Dankbarkeit ist seit vielen Jahren ein wichtiges Forschungsfeld in der Wildnisschule. Auch darüber schreibt Robin Kimmerer, sie fügt jedoch hinzu, dass es dabei nicht bleiben darf. Die reine Freude und Dankbarkeit über das, was die Natur uns schenkt, bewirkt keine nachhaltige Zukunft, in der wir Menschen Platz haben. Sie braucht unser aktives Mitgestalten – mitfühlend und achtsam.

Für mich war das aktive (gestaltende) Eingreifen in die Natur bisher ein schwieriges Thema. Mir fehlte Wissen und die zahlreichen, oft unterschiedlichen, Meinungen zu diesem Thema produzierten eher Unsicherheiten bei mir.

Das hat sich geändert, wir haben im vergangenen Jahr (aktiv auf unserem Platz eingegriffen und?) viele Bäume gepflanzt. In Zeiten des Klimawandels ist es drängend geworden: Es braucht mehr Bäume! Zu diesem Thema ist das neue Buch von Susanne Fischer-Rizzi, „Bäume der Hoffnung“, sehr zu empfehlen.

Wir haben in unserer alten Streuobstwiese 18 neue Obstbäume gepflanzt. Es sind nun insgesamt 50 junge Apfel-, Birnen-, und Kirschbäume, von denen in der Zukunft meine und viele andere Kinder leckere Früchte genießen können.

Ein dickes Dankeschön an alle helfenden Hände und an den Verein Apfel und Konsorten e.V. für die großzügige Unterstützung und die fachkundige Begleitung.

Im angrenzenden Waldstück haben die Stürme 2021 Zerstörungen angerichtet. Die entstandenen Lücken haben wir mit über 120 Esskastanien und Stieleichen bepflanzt und vorhandene Jungpflanzen gegen Verbiss geschützt.

Auch hier ein riesiges Dankeschön an alle Menschen, die bei der Pflanzaktion dabei waren. Besonders danke ich Christian Stuhlmann, der als Förster den Wald bewirtschaftet und mit dem Waldbesitzer alle Details besprach und Material angelieferte.

Ein vorletzter Baum-Dank geht an Marek von Apfel und Konsorten e.V. der freizügig sein Wissen geteilt hat. Ich freue mich auf die Umsetzung des Neugelernten.

Ein letzter Dank geht an die Bäume selbst. Der Blick auf die alten, knorrigen und jungen, zarten hölzernen Wesen ist geschärft worden.

Ganz neuartige Erfahrungen sammelte ich beim Radio. Radioeins kreierte eine neue Rubrik „Fantastische Tierwelten“ mit dem Voologen Paul. Seit fast einem Jahr bin ich jeden Mittwoch kurz nach 14.00 Uhr auf Sendung und erzähle über einen unserer tierischen Nachbarn. Die Sendereihe begann mit unseren Vögeln, leitete über die Insekten zu den Säugetieren.

Einen besonderen Dank an Melanie von Radioeins, die jede Sendung moderierte und mit mir vorbereitete. Danke für Deine einfache, inspirierende und unterstützende Zusammenarbeit.

Angefangen hat die Voologie mit einem Wortspiel aus Coronazeiten – Virologe = Voologe. Mein Vogelpodcast hat inzwischen schon über 70 Folgen. Ich freue mich auf neue Folgen im Jahr 2023.

Nach dem ersten Artikel in der lokalen Presse MAZ und Vorträgen, zum Beispiel beim „International Tracking Symposium“ im Februar, fragte ein Buchverlag an, ob wir nicht ein Buch über Vögel schreiben wollen. So begann die Zusammenarbeit mit meiner Co-Autorin Kathrin Blum. In diesem Jahr wird unser erstes Buch in Druck gehen.

Danke an Menschen wie Kathrin, die viel Zeit und Mühe investieren, um unsere Sichtweisen über die Natur für eine breitere Öffentlichkeit zugänglich zu machen.

Das wichtigste Ereignis fand in den letzten Wochen des Jahres statt. Seit vielen Jahren träume ich von der Gründung eines gemeinnützigen Vereines. Dank der Unterstützung vieler Menschen ist es nun endlich gelungen – der „Linde e.V.“ steht in der Welt. „Linde“ ist die Abkürzung für „Leben in Natur durch Empathie“ und soll das Bindeglied zwischen unserem Amsel e.V., dem Hüter des Platzes, und der Wildnisschule Hoher Fläming sein.

Die Anerkennung der Gemeinnützigkeit öffnet neue Möglichkeiten, sich für Naturschutz und Umweltbildung hier vor Ort einzusetzen. In naher Zukunft werden wir Euch einladen, damit Ihr Euch sich als Mitglieder am „Linde e.V.“ aktiv beteiligen könnt.

Die vielen schönen, bewegenden Ereignisse 2022 wurden auch bei uns vom Geschehen in der Ukraine überschattet. Der Übergang von einem seit 2014 geführten Bürgerkrieg in einen europäischen Krieg, ist kaum zu begreifen. Der Mainstream-Diskurs darüber macht mich sehr nachdenklich.

Ich hätte es nicht für möglich gehalten, das Deutschland wieder gegen Russland in den Krieg zieht. Deutsche Waffen töten wieder einmal Menschen. Ich bin groß geworden in einer Gesellschaft, in der die Angst vor einem Atomkrieg ein großes Thema war. Gleichzeitig haben sich meine Eltern- und Großeltern mit den Auswirkungen von zwei Weltkriegen auseinandergesetzt.

Für mich bedeuten Krieg und die Unterstützung von Kriegen keine Lösung von Problemen, nirgendwo auf der Welt.
Wo stehen wir jetzt und wie sind wir hier gelandet? Die Suche nach Antworten macht mich immer wieder ratlos und traurig.

Zur selben Zeit erinnert es mich tagtäglich daran für Frieden in meinem Leben zu sorgen, mir bewusst zu machen, wie privilegiert ich lebe und der damit verbundenen Verantwortung.

Ich fühle mich verantwortlich für Frieden zwischen Menschen und Natur und suche weiterhin nach Verbündeten. Ich möchte den intensiven Austausch leben und offen bleiben für einen kritischen Diskurs mit meinen Mitmenschen… .

„Voosophischer“ Ausklang:
Im Zuge der Überarbeitung der Texte auf unserer Homepage, bin ich auf zwei Zitate gestoßen, die mein Jahr 2022 im Kern treffen:

„Nicht dort, wo Du die Bäume kennst, sondern da, wo die Bäume dich kennen, ist deine Heimat.“ Herkunft unbekannt (und trotzdem schön…)

„Nur der Berg hat lang genug gelebt, um das Heulen der Wölfe sachlich deuten zu können.“
Aldo Leopold